F. Gehm: (schielt auf die Notbeleuchtung im Studio und nickt zögernd) Frau Wagenzink, Sie sind sicher überglücklich, dass ihre Tochter und ihre Enkelinnen jetzt nach Bindburg gezogen sind und sie in einer Stadt leben.
Oma Rose: Selbstverständlich. Allerdings habe ich auch ein wenig Angst um sie. Mitten in einer deutschen Großstadt. Ganz alleine unter Menschen.
F. Gehm: Ihr Papa, Mihai Tepes, ist ja auch noch hier.
Oma Rose: Ehrlich gesagt: Das macht mir noch mehr Angst.
F. Gehm: Im Gegensatz zu ihrem Mann wissen Sie, dass Ihre Tochter einen Vampir geheiratet hat. Wie war das damals, als Sie davon erfuhren, dass Ihr Schwiegersohn … ein wenig anders ist?
Oma Rose: Als Elvira mir sagte, sie hätte sich in einen Vampir verliebt, machte ich mir natürlich Sorgen. Nicht wegen des Vampirs, sondern wegen Elvira (macht mit dem Zeigefinger kreisförmige Bewegungen an der Schläfe).
F. Gehm: Sie glaubten ihr nicht und meinten, Ihre Tochter hätte den Verstand verloren?
Oma Rose: Angenommen, Sie hätten eine Tochter. Angenommen, sie würde ihnen mitteilen, sie hätte sich in den Nikolaus verliebt. Was würden Sie denn meinen?
F. Gehm: Das käme auf das Alter meiner Tochter an. Und auf die Jahreszeit.
Oma Rose: Elvira war auf jeden Fall alt genug, um zu wissen, dass es Vampire nicht gibt. Dachte ich.
F. Gehm: Doch dann trafen Sie Mihai Tepes und Ihre Meinung änderte sich?
Oma Rose: Nicht nur meine Meinung, mein ganzes Leben. Ich merkte sofort, dass Mihai sich von der Masse abhob. Und zwar einige Meter. Das Blutgeschlürfe, die Eckzähne, seine Allergie gegen Knoblauch und die Heimaterde hätten mich nicht überzeugt, aber als er mich Huckepack nahm und einen Spazierflug mit mir machte, gab es keinen Zweifel mehr: Ich hatte einen Vampir als Schwiegersohn.
F. Gehm: Haben Sie Angst, ihr Schwiegersohn oder ihre Enkelinnen könnten Sie beißen?
Oma Rose: Bei Silvania und Daka nicht. Aber bei Mihai, da schon. Bitte, verraten Sie es ihm nicht, aber ich lege immer eine besonders breite Kette um, wenn wir uns treffen und habe zur Sicherheit Knoblauchkapseln in der Handtasche. Er ist wirklich ein sehr charmanter, weltgewandter Mann, ich meine, Vampir. Aber er ist auch sehr temperamentvoll und sein Blut gerät leicht in Wallung.
F. Gehm: Haben Sie jemals Mihais Mutter kennen gelernt?
Oma Rose: Zezci ist eine ganz reizende Person. Sehr unterhaltsam. Sehr direkt. Und sehr bissig. Deshalb musste sie bei unserem Kennenlernen leider einen Beißkorb tragen. Übrigens habe ich letzte Woche eine Postkarte von ihr aus England bekommen.
F. Gehm: Ich auch! Und es ist bereits eine neue Karte mit der Fledermauspost gekommen (toll, dass die Fledermäuse es trotz der Europäischen Fledermausnacht geschafft haben).
Oma Zezci schreibt:
Boi motra, ihr Kellerlurche! Grüße aus einem Land, in dem es morgens immer still ist, was mir hervorragend passt, da ich dann zu Bett gehe. Als ungeeignet zur Tagruhe stellten sich die Töpfe heraus, in denen hier Kimchi, eine Art Gemüsemus, aufbewahrt wird. Denn das Gemüse wird mit Knoblauch eingelegt. W-i-d-e-r-l-i-c-h! Und lebensgefährlich. Das Land ist sehr bergig und grenzt an drei Meere. Eins davon ist sogar gelb. Und wenn ihr in Deutschland den Tag der Einheit feiert, wird hier der Tag des offenen Himmelstors gefeiert. Leider bin ich da schon weg, obwohl ich gerne mal zu diesem Tor geflogen wäre, wenn es nun schon mal offen steht …
Haltet die Zähne steif!
Tirirli, Oma Zezci
Oma Rose: Wenn ich in Rente bin, fliege ich auch so durch die Welt.
F. Gehm: Vielleicht zusammen mit Oma Zezci?
Oma Rose: Aber nur, wenn ich zur Sicherheit einen Fallschirm anlege und sie einen Beißkorb.
F. Gehm: Das klingt nach einer traumhaften Reisegruppe. Da wünsche ich jetzt schon mal: Guten Flug!
Link zur Europäischen Fledermausnacht:
Den nächsten Talk mit Biss gibt es am 14. September. Der Deckel des Kimchi-Topfes wird gelüftet und ich begrüße einen neuen Gast im Studio.